Artenschwund - von Robert Boczki

"Artenschwund, der nachdenklich machen sollte"
Seit Jahrzehnten vollzieht sich in der „entwickelten Welt“ ein drastischer Artenschwund, der in erster Linie die auch in Mitteleuropa ursprünglich große Zahl heimischer Arthropoda (Gliederfüßer) betrifft. Aufgrund ihrer geringen Größe entzog sich das lange unserer Aufmerksamkeit.
Aktuell, zu Beginn der alljährlich stattfindenden Freilandexkursionen befragte Studierende der WWU Münster (Westfalen), die Biologielehrer oder Biowissenschaftler werden wollen, kennen vielfach nur noch eine, selten zwei „Handvoll“ heimischer Tagfalter-Arten (etwa fünf bis zehn).
Dies steht sinnbildlich – wie die momentan viel zitierten, kaum mehr von Fluginsekten verunreinigten Auto-Frontscheiben im westeuropäischen Sommer – für einen massiven Artenschwund, der sich seit den 1950er und 60er Jahren im Zuge der Flurbereinigung eingeschlichen und insbesondere im letzten Jahrzehnt dramatisch intensiviert hat. Am Sommerflieder beobachtete Weißlinge und Pfauenaugen in urbanen Räumen täuschen darüber hinweg. Im Sommerhalbjahr waren damals noch ca. vierzigmal so viele Tagfalter-Arten auf blühenden Sommer-Wiesen, an Waldrändern, in Wäldern zu beobachten und zusätzlich noch gut zwanzigmal mehr Nacht-Schmetterlings-Arten (fast 4000 Arten).

Schmetterlinge sind auch indikatorisch für viele andere Großgruppen von Insekten zu begreifen, von denen es in Mitteleuropa ursprünglich ca. 33.000 Arten gab. Mit den Krebstieren, Tausendfüßern und Spinnentieren zusammen gibt/gab es in Mitteleuropa ca. 38.000 Arten von Gliederfüßern, Schmetterlinge, Lepidoptera„ Nachtfalter“ (über 3500 Arten in Deutschland)RitterfalterPapilionidaeTagfalter (Deutschland: ca. 190Arten;Münsterland: ca.40Arten), DickköpfeHesperiidae, BläulingeLycaenidae, EdelfalterNymphalidae, WeißlingePieridae-tagaktiv - Widderchen, Zygaenidae, Fleckenfalter, Nymphalinae, Augenfalter, Satyrinae
welche nicht nur den Grundfels des gesamten terrestrischen Nahrungsnetzes dieses Planeten bilden, sondern maßgeblich Anteil an Bestäubungsvorgängen und sämtlichen (!) Boden-Bildungs-Prozessen hatten/hätten.

Die Ursachen hierfür sind vielfältig, weisen jedoch stets einen gemeinsamen Nenner auf: das extrem kurzsichtige Handeln des „modernen Menschen“; wüstenhafte Monokulturen, die „Bio“-Gas-Anlagen speisen, Neonicotinoide, Glyphosat, „Endokrine Disruptoren“, Industrielle Landwirtschaft, permanent nicht zu Ende gedachtes Streben nach „Gewinnmaximierung“, „Inwertsetzung“ aller Lebensbereiche. Wir verhalten uns nicht, als ob mit Weisheit beschenkt (Homo sapiens sapiens), sondern eher wie ein „Homo sapiens autoparasiticus“, der seine Zeit vor allem damit füllt, Artgenossen zu übervorteilen. Wir MÜSSEN nicht so handeln!
Nicht im „Teile und herrsche“, sondern im Teilen liegen viele Lösungen für viele aktuelle Probleme: Verfügbare Arbeit teilen, Wertschöpfung teilen, ohne dabei zwanghaft gleichmacherisch vorzugehen. Wir sind eine mit Vernunft, mit freiem Geist und wachem Bewusstsein beschenkte Spezies. Wir sind in der Lage, ein hohes Maß an Individualität zu entfalten und überragend zu arbeitsteiligem Handeln befähigt. Wir stellen gemeinsam (auch) einen Super-, gar einen „Supra“-Organismus dar und sind extrem effektiv und produktiv im Handeln – in allem, was wir tun. Wir sind mit Empathie, das sogar artübergreifend, ausgestattet. Geteiltes Leid = halbes Leid, geteilte Freude = doppelte Freude!
Im neuen, bereits angebrochenen Zeitalter gilt es zu erkennen, dass „weniger“ häufiger „mehr“ sein kann!
Im ureigensten Sinne sind wir am besten beraten, Kreislauf-Wirtschaften zu etablieren und das Streben nach Wachstum auf den kulturellen Bereich und Mehrung von Wissen zu beschränken. Fest steht: Der Raum auf diesem Planeten ist begrenzt.

Das Artensterben der Wirbellosen, denen alle höheren Trophie-Ebenen, Wirbeltiere, Lurche, Fische, Vögel, Säuger usw. anschließend vielfach „nachsterben“ – wenn es so weiter geht wie bisher – kann maßgeblich durch kleinteiligere Landnutzung (noch) umgekehrt werden. Profitieren im echten Sinne können wir alle davon, durch gesunde Nahrung, vielfältige „Entschleunigung“ (dem gegenüber steht ein Wirtschafts- und/oder Verkehrs-Infarkt), eine ausgewogene Mischung aus Lärm und Ruhe: mittels gut durchdachtem Mosaik aus intensiverer, extensiver, teils sehr behutsamer Landschafts-Nutzung.

Jetzt ist auf der Erde noch viel zu verlieren – und – auch viel zu gewinnen. Wir sind frei. Uns wohnen Schwarmintelligenz und Schwarmempathie inne. Tun und Unterlassen haben immer Konsequenzen. Frei nach Pippi Langstrumpf: kann eins und eins (ein Ganzes) mehr als nur eine Summe (von Teilen) sein!
Robert B. Boczki, Schmetterlings-AG Nabu Münster

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